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Gerd Weyhing: Journeys To Impossible Places
Schrottland, 2014
1.1 Forbidden Tracks 32:28
1.2 Cryptomeria 31:01
2.1 Das Reich des schwarzen Fisches 21:23
2.2 Landscape And Memory 23:46
2.3 The Melism Of A. 27:35
Nach seinem bemerkenswerten Debüt „The Hidden Symmetry“ hat Gerd Weyhing nun ein neues Album herausgebracht. Weil Gerd im letzten Jahr viel unterwegs war, ist „Journeys To Impossible Places“ ein Doppelalbum geworden, das Musik von Live-Auftritten in Wiesbaden, Dresden, Essen und Bocholt vereinigt, aufgenommen zwischen dem 13. April und dem 26. Oktober 2013. Einzige Einschränkung: der Gitarrenpart von „Landscape And Memory“ wurde nachträglich (live) eingespielt.
Alle Coverseiten inklusive der CDs selber sind sehr schön gestaltet; das wirkt wie Gestein, zum Teil sehr bunt. Leider ist nirgends vermerkt, wer das Cover geschaffen hat; vielleicht stammt es von Gerd selber. (Anmerkung: Ja, es stammt von mir)
Ein Kennzeichen von Gerd Weyhings Musik ist die Dauer der Tracks: eine halbe Stunde ist durchaus nicht ungewöhnlich. Meist lässt er seine Stücke ganz lange ausklingen, so dass das eben Gehörte nachwirken kann und man aus der Stimmung nicht „herausgeschubst“ wird.
Ganz wichtig ist bei einer Produktion des Gitarristen Gerd Weyhing natürlich die E-Gitarre. Nach wie vor staune ich, was man mit diesem Instrument so alles anstellen kann, welche Klänge sich damit (und entsprechenden elektronischen Hilfsmitteln) erzeugen lassen.
Es sind nicht unbedingt die Melodien, die fesseln, denn die sind (von Ausnahmen abgesehen) kaum ausgeprägt. Nein, die Faszination rufen die Klangschaften – Soundscapes hervor, die Gerd kreiert und großflächig ausbreitet.
Auf die beiden CDs verteilen sich fünf (entsprechend lange) Tracks, zu denen ich noch ein paar Sätze spendiere:
1. Forbidden Tracks:
Gerd baut ein Gerüst aus einer kleinen, aus stakkatoartigen kurzen Tönen bestehenden Sequenz, flächigen Ambientklängen und prägnanten rhythmischen Einsprengseln. Darauf setzt er seine so charakteristische Gitarre. Er gibt sich aber auch die Gelegenheit, das Gerüst mit anderen Klängen zu verstärken und die schon vorhandenen zu intensivieren. Vor allem die rhythmischen Elemente werden mehr.
Manchmal weiß ich nicht zu sagen, ob gewisse Sounds oder Teile des Stücks von der Gitarre stammen, oder ob es doch pure Synthesizerklänge sind. Mein Eindruck ist aber, dass hier die Tasteninstrumente dominieren, dafür kreiert Gerd mit der Gitarre umso „wildere“ Sounds.
„Forbidden Tracks“ ist ein Paradebeispiel dafür, wie Gerd seine Stücke mit viel Zeit ausklingen lässt. Ambiente Klänge kommen hier bestens zur Geltung und werden nicht mehr von rhythmischen Elementen dominiert.
2. Cryptomeria:
Bei diesem Stück steht die E-Gitarre stärker im Vordergrund. Nach gut 6 Minuten schieben sich schnellere Rhythmusklänge in die Musik. Die zunächst noch ruhigen Gitarren- und Synthesizerklänge werden bald „quirliger“. Im weiteren Verlauf des Stückes tragen immer mehr Elemente zur Komplexität bei, bis hin zu Drums und Stimmsamples. Genauso wird das alles auch wieder abgebaut. Zwischendurch wird mit den Sounds auch „experimentiert“: Unterbrechungen, Verzerrung des Klangs und Verschiebung der Tonhöhe und anderes würden in einem anderen Musikgenre den Hörer mindestens an Fehler bei der Herstellung der CD denken lassen. – Bei EM ist solches ja Gott sei dank erlaubt.
3. Das Reich des schwarzen Fisches:
Zum „Reich des schwarzen Fisches“ ist die E-Gitarre die Eintrittskarte, denn sie steht gleich am Beginn des Stückes. Der Rhythmus wird von Trommel- und Tambourinklängen getragen, die mich an Bands erinnern, die „mittelalterliche“ Musik machen. – Letzteres ist jedoch kein Hinweis auf den Stil der Musik dieser CD. Allerdings hat das Stück schon etwas Düsteres, wie Gerd Weyhings Werke insgesamt nicht in die Kategorie „himmelhoch jauchzend“ fallen. Der Titel „Das Reich des schwarzen Fisches“ lässt ja an sich schon kaum euphorische Gefühle aufkommen, aber deprimierend ist das Stück nun auch nicht. Ich lasse mich sehr gerne von der dunklen Stimmung forttragen und genieße es, wie Gerd den Track entwickelt und entfaltet. Im „Reich des schwarzen Fisches“ wird die E-Gitarre auch als ausgesprochenes Melodie-Instrument eingesetzt.
4. Landscape And Memory:
Celloartige Klänge bauen zu Beginn eine nahezu romantische Stimmung auf, wie tastend bewegen sich die Töne fort. Da können durchaus Bilder von Landschaften wie bei Caspar David Friedrich vor dem geistigen Auge auftauchen. Doch zu „glatt“ und eingängig soll es bitteschön nicht werden. Und solche, womöglich einlullende Stücke sind Gerd Weyhings Sache nicht. Also werden tonale Störfeuer eingebaut, dissonante Querschläger, die die Romantik-Stimmung vom Anfang aufbrechen. Nach einiger Zeit übernehmen Sequenzer und E-Gitarre das Ruder und lenken den Blick auf eine andere Landschaft und Erinnerung („Landscape And Memory“), ohne dass die bisherigen Elemente völlig abgelöst würden.
Ich gebe zu, bei „Landscape And Memory“ fehlt mir ein wenig der rote Faden; das Stück laviert für mein Empfinden ein bisschen zu sehr durch die Klangwelten und findet nicht recht zu sich selbst. Die einzelnen Elemente stehen mehr nebeneinander; es sei denn, es war die Absicht, etwas konfuse „Landscape And Memory“ musikalisch zu illustrieren.
5. The Melism Of A.:
Ich musste erst einmal recherchieren, was „Melism“ sein könnte. Ein Melisma ist dem Fremdwörterlexikon nach eine melodische Verzierung, eine Koloratur. Das „A.“ vermag ich dagegen nicht zu deuten – oder ist damit womöglich einfach der Ton „A“ gemeint?
Was ich höre, ist allerdings dem Titel durchaus nachzuempfinden. Gerd spielt eigentlich nur ganz wenige Töne, langgezogen, in der Tonhöhe nicht weit voneinander entfernt – also völlig unspektakulär und für sich genommen sicherlich nicht für das breite Publikum geeignet. Was Gerd aber mit diesen wenigen Tönen macht, das ist faszinierend. Es sind eben solche „Melismen“, also Verzierungen, die die gut 27 Minuten Laufzeit im Nu vergehen lassen. Immer neue Feinheiten, Bässe, Percussion, Intensität der Sounds, Gitarre und Synths, zum Schluss auch eine weibliche Gesangsstimme, machen die Faszination dieses Tracks aus.
Mit “Journeys To Impossible Places” hat Gerd einen sehr schönen Überblick über sein derzeitiges Schaffen vorgelegt. Und ich finde, man sollte solch engagierten und eigenständigen Künstlern auch entsprechend begegnen und mit dem Kauf der CD unterstützen, zumal 15 Euro für ein Doppelalbum absolut nicht zu viel sind. – Viel Spaß beim Hören!
Andreas Pawlowski
Bezug: www.schrottland.de
oder
http://gerdski.bandcamp.com/album/journeys-to-impossible-places
Klaus Reckert hat auf Gaesteliste.de ein Review zu “Journeys to impossible Places” geschrieben. Vielen Dank dafür!
Gerd Weyhing – Journeys To Impossible Places
Eigenveröffentlichung
Format: 2CDErklingen an unmöglichen Orten etwa auch “Sounds That Can’t Be Made”? Das nun erfreulicherweise nicht, zumal es Gerd “Gerdski” Weyhing wie im Zen-Buddhismus mehr um die Reise und weniger um das Ziel zu gehen scheint. Denn bei diesen bei drei Konzerten 2013 live aufgenommenen fünf Kompositionen ist wohl der Aufbau das Wichtigste, das Aufschaukeln, die Steigerung, das (nicht ganz so) Eintreffen des Erwarteten, Welle auf Welle, die nächste wird die Perfekte sein, doch da geht es schon weiter…Die aufmachenden “Forbidden Tracks” sorgen durch den Sound der zunächst frippertronisch und darüber hinaus bis zum Erkennungsklang der Marsianer in “War Of The Worlds” verzerrten Les Paul für jede Menge Dramatik. Bei “Cryptomeria” besorgt den gleichen Job u.a. ein unheilvoll ostinater Bass-Lauf. Einiges an Space-Flair – noch unterstützt durch Funkspruch-Samples – wird durch die spacigen Sequenzer generiert, während die Gitarre klanglich etwa wie bei King Crimsons “Lament” klagt. So orgiastisch sich das Stück aufbäumt, so sinkt es ab Minute 23 auch wieder in sich zusammen – mit dem gut passenden Effekt eines sehr langen Fades inklusive finalem Vinyl-Prasseln und abhebendem Tonarm.
“Das Reich des schwarzen Fisches” auf CD2 ist ein abermals ruhigerer Ort, in dem die Leadgitarre trotz des Titels warmes Licht einlassen kann. Perkussive Sounds verschaffen u.a. eine Ahnung davon, was eine richtige Band hier eventuell noch hinzufügen könnte. Echt klingender Bass auf “The Melism Of A.” lässt solche Spekulationen noch weiter wuchern, auch wenn es solche Spekulationen in impossible places stattfinden dürften.
PS: Auch wenn hier manchmal von Space die Rede war und Soundscapes gemeint waren – die volle Wucht dieses empfehlenswerten galaktischen Reiseführers erschließt sich bei möglichst hoher Lautstärke. Full Blast hat “Ambient” noch nie so gut getan wie hier!
PPS: Die Doppel-CD ist für enorm günstige 15 Euro inklusive Versand bei Gerdski erhältlich (siehe erste Surf-Empfehlung), die dann auch nur dem Künstler zugute kommen.
Christian Rode hat für die Babyblauen Seiten eine Rezension geschrieben. Danke!
Wohin führt uns Gerd Weyhing mit seinen „Journeys to Impossible Places“? Wie mir scheint führt er uns an Plätze, an denen sich Robert Fripp und Klaus Schulze ein Stelldichein geben. Wenn ich dieses Album mit seinem Vorgänger „The Hidden Symmetry“ vergleiche, dann fällt mir auf, dass der elektronische Rhythmus stark an Bedeutung gewonnen hat. Diesen hatte es zwar auch schon vorher gegeben, aber nicht in dieser Intensität.
Gleich bei „Forbidden Tracks“ wird dies besonders deutlich. Die an Fripp angelehnten Soundscapes werden hier mit rhythmischen Tonreihen aus dem Sequencer geradezu überschwemmt, in der Folge wird sogar eine zweite härtere Rhythmussequenz aufgebaut, die dem Stück einen industriell-metallischen Sound gibt. Was Gerd Weyhing hier an wuchtigen Klanggebirgen aufbaut, nimmt den Hörer durch seine geradezu physisch fühlbare Präsenz ganz unmittelbar gefangen. Im zweiten Teil wird es etwas weniger aufwühlend.
Das folgende „Cryptomeria“ erzeugt Emotionen, die mehr ins Träumerisch-Mystische reichen. Der Rhythmus ist auch hier prominent, aber nicht so schlagend wie im Opener. Das ebenfalls über eine halbe Stunde lange Stück hat nach meinem Geschmack allerdings einen etwas zu langwierigen Ausklang, was dem positiven Gesamteindruck aber keinen Abbruch tut. Die zweite CD folgt den Spuren von „Cryptomenia“ und folgt dabei etwas stärker dem bewährten Soundscape-Ansatz. Gerd Weyhing schickt seine Hörer besonders auf „Landscape and Memory“ durch schräge, surreale Klanglandschaften, die sich nur ganz allmählich wandeln und in denen die Hörer sich nur hoffnungslos verlieren können. Weyhing selbst muss allerdings auch ein wenig aufpassen, dass ihm nicht Gleiches widerfährt. Wobei man einwenden könnte: „Wer sich nicht verliert, kann sich auch nicht wiederfinden.“ (G. Weyhing) Ein suggestiver, meditativer Charakter ist dem Gesamtunternehmen nicht abzusprechen.
Mit seinen „Journeys to Impossible Places“ ist Gerd Weyhing durch die verstärkte Synthese von Frippschen Soundscapes mit elektronischer Rhythmik im Stil der Berliner Schule ein kleiner, aber feiner Qualitätssprung gelungen, der aufhorchen lässt. Nichts davon ist neu, aber die Synthese der Elemente schafft neue, erregende Klanggemälde.
Anspieltipp(s): Forbidden Tracks, Landscape and Memory
Veröffentlicht am: 5.5.2014
Letzte Änderung: 5.5.2014
Wertung: 12/15